Singend die Lebensqualität steigern

Die Ökumenische Seniorenkantorei Berlin singt zu Gottesdiensten in evangelischen und katholischen Kirchen*

Von Klaus Büstrin

Sanft, doch unmissverständlich werden Sängerinnen und Sänger, die die Altersgrenze von 65 oder 70 erreicht haben, aus manchen Chören ihrer Kirchengemeinde hinauskomplimentiert. Man will ihnen mehr oder weniger klarmachen, dass sie durch stimmliche Einbußen nicht mehr die gewünschten gesanglichen Leistungen aufbringen. „Ein Leben lang habe ich im Kirchenchor gesungen. Und nun soll alles vorbei sein?“, resümiert Almut Ebeling. Dagegen hat sie sich gesträubt. „Klar, der Stimmumfang wird im Alter geringer, doch durch das regelmäßige Singen halte ich meine Stimme fit, auch meiner Gesundheit tut es gut“, erzählt die Sopranistin, die in der Ökumenischen Seniorenkantorei Berlin mitwirkt. „Dadurch steigt die Lebensqualität im Alter und das Gemeinschaftsgefühl wird ebenfalls gehoben“, ergänzt Helga Dengler. Der Chor ist ihre musikalische Heimat geworden, auch die der anderen mehr als 50 Sängerinnen und Sänger.

Klare Stimmen

Singen kennt kein Alter. Das erlebt man auch während der Probe an diesem frühen Abend im Dezember, zu der man sich im Evangelischen Kirchenforum direkt neben der Parochialkirche in der Berliner Klosterstraße trifft. Klar und weitgehend vibratofrei wird das Magnificat von Johann Pachelbel oder die Weihnachtskantate von Carl Wolfgang Briegel gesungen. Kirchenmusikdirektor Konrad Winkler, der 2013 nach dem Tod des Gründungsdirigenten Michael Witt und seinem Eintritt in das Pensionsalter die Seniorenkantorei übernahm, unterbricht den Eifer der Sängerinnen und Sänger gelegentlich, wenn an dieser oder jener schwierigen Stelle eines Chorsatzes nicht akkurat eingesetzt wird oder sich intonatorisch eine Ungenauigkeit einschleicht.

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Die Sängerinnen und Sänger der Ökumenischen Seniorenkantorei Berlin
auf den Stufen der Kirche Peter und Paul in Görlitz. (Foto: © Wolfgang Schulze 2019)

Die meisten 60 bis gut 80-Jährigen haben größtenteils lebenslange Chorerfahrungen gesammelt. Das merkt man dem Singen und auch der souveränen Probenarbeit an. Ehrgeiz und Anspruch auf eine gute Leistung haben die Chormitglieder immer noch. „Man kann sich auf die leidenschaftlich gern singenden Mitglieder der Kantorei verlassen, obwohl sie zur Probe weite Wege mit der S- oder U-Bahn zurücklegen“, berichtet Konrad Winkler. „Aus ganz Berlin, sogar aus Potsdam kommen sie in das Kirchenforum.“ Winkler leistete als Kantor in der Friedenskirchengemeinde in Niederschönhausen sowie Kreiskantor von Pankow eine hoch anerkannte kirchenmusikalische Arbeit für alle Generationen.
Eine lebendige Ökumene wird der Seniorenkantorei gepflegt, denn ihre Mitglieder kommen aus katholischen und evangelischen Kirchengemeinden. Getragen wird die Chorarbeit vom Kirchenkreis Berlin-Stadtmitte sowie vom Erzbistum Berlin. Die Sängerinnen und Sänger sind im Wechsel fast jeden Monat in einer evangelischen und katholischen Kirche im Gottesdienst liturgisch eingebunden, mal in St. Marien, im Dom oder in St. Josef.

Über gelungene Konzerte erzählen die Chormitglieder sehr gerne. Beispielsweise Helga Dengler aus der Paulus-Gemeinde in Tempelhof, Madeleine Paykowski von der St. Hedwigs-Gemeinde oder Harald Dubrowsky, der früher Kantor der evangelischen Gemeinde in Schönwalde-Dorf war, lässt heute seinen Bass erklingen und ist zudem Chorratssprecher der Seniorenkantorei. Mindestens einmal im Jahr wird zu den teilweise finanziell aufwändigen und doch erfüllenden Veranstaltungen eingeladen.

Zum Repertoire gehören selten aufgeführte Werke

Im vergangenen Sommer kamen vier Kantaten von Johann Sebastian Bach in der St. Marienkirche zur Aufführung, Zuvor studierte man unter anderen „Der Tod Jesu“ von Carl Heinrich Graun, die Messe in C-Dur von Ludwig van Beethoven oder die Markus-Passion von Reinhard Keiser ein. Erfreulich ist, dass Konrad Winkler Messvertonungen, Kantaten oder Oratorien auswählt, die nur selten gesungen oder dem Vergessen entrissen werden. Somit führt er die gute Tradition seines Vorgängers Michael Witt, der Domkapellmeister

an der St. Hedwigs-Kathedrale war, unbedingt fort. Engagierte Unterstützung gaben ihnen Musikerinnen und Musikern aus Berliner Orchestern sowie bekannte Gesangssolisten. Gern sind die Sängerinnen und Sänger auch auf Chorfahrten, unter anderen nach Neuzelle oder Görlitz. In diesem Jahr führt die Reise nach Hildesheim. Natürlich sind sie immer mit Konzerten verbunden.

Chorratssprecher Harald Dubrowsky betont, dass Senioren, die Freude am Singen haben, immer willkommen sind. Tenöre und Bässe, wie in allen Chören, besonders.

Wer Interesse am Mitsingen hat, kann zur Probe kommen: jeden Mittwoch, 15 Uhr, Evangelisches Kirchenforum, Klosterstraße 66, Berlin-Mitte Kontakt: KMD Konrad Winkler, Telefon: (030) 476 23 00,
E-Mail: konradwinkler@musikwerke.de

Die nächsten Auftritte**:

  • 26. Januar, 10 Uhr, Heilige Messe, Kirche St. Mauritius, Mauritiuskirchstr. 1, Berlin-Lichtenberg.
  • 24. Februar, 10.30 Uhr, Gottesdienst, St. Marienkirche, Berlin-Mitte.
  • 31.März, 10 Uhr, Gottesdienst, Berliner Dom, Berlin-Mitte.